LOGBUCH DER ANIMA
 

NOVEMBER 08:
Kap Verden - Atlantiküberquerung nach Antigua

 

Zu den KAP VERDEN
Am 4. November lief die Anima unter optimalen Bedingungen Richtung Kap Verden aus. Für die 750sm bis auf die Insel Sal waren ca. 6-7 Tage geplant, doch wir erreichten nach nur 5 Tagen und 15 Stunden um 4h früh die Bucht Palmeira. Leider verließ uns für die letzten 50 Seemeilen der Wind und wir mussten uns mit Hilfe des Motors durchschummeln.
Hier fand ein Crewwechsel statt: Der Schweizer Ralph stieg aus um auf den Kap Verden vier Wochen zu urlauben, und die Neuseeländerin Anna stieg aus, weil sie nicht Bitte-Danke-Grüß Gott-auf Wiedersehen (© Niki H.) sagen konnte (oder wollte).
Dafür kam Ulli aus Deutschland als Unterstützung für die Atlantiküberquerung. Wir besuchten noch die Insel Boavista, und bereiteten uns dann in der schönen und geruhsamen Bucht Tarrafal auf Santiago für den großen Sprung vor.

ATLANTIKÜBERQUERUNG
Und diese sollte eine ganz andere werden als beim ersten Mal 2003. Der liebe Wolfi hatte damals aus wenigen Dingen einen packenden Bericht geschrieben, doch diesmal war es wirklich sehr abwechslungsreich:

Teil 1: Hoffnung und Zweifel
Abfahrtstermin für die 2200 Meilen nach Antigua: 18.11., 9.30h. Es ging gleich gut los: 137 Seemeilen am ersten Tag! Doch der Wind lies kontinuierlich nach, ebenso sank Geschwindigkeit und anfängliche Euphorie. Es würde ja nichts ausmachen, nur 3-4 Knoten zu segeln, aber leider ist das am offenen Ozean deswegen kaum möglich, weil durch die permanente Dünung und den fehlenden stabilisierenden Druck in den Segeln das Schiff stark "rollt" und die Segel stark zu schlagen beginnen, was abgesehen vom nervenden Geräusch ("Flapp"!) auch schlecht für das ganze Rigg ist.
So mussten wir am Morgen des 4. Tages erstmals den Motor starten. Auch weil die Prognosen für die nächsten drei Tage keine Änderung voraussahen. Die Dieseltanks waren nicht übermäßig voll - auf dieser Strecke weht ja ständig der ach so konstante Passatwind. Tut er auch an vielen Stellen, nur nicht wo wir sind! Und Ulli hatte seinen Rückflugtermin von Antigua am 8.12. Viel Reserve an Treibstoff und Zeit waren da nicht einberechnet. Durchschnittliche 4,5 Knoten waren notwendig, um den Flug gerade noch zu erreichen (ø5,5kn 2003)
Die Stimmung war anfangs "mittelprächtig". Es war wie im Sommer in der Adria: leicht gekräuseltes Wasser, windstill, tagsüber heiß, ohne Segel dafür mit Sonnenplanen schnurrte die Anima mit 5,2kn dahin.
Aber wir hatten genug zum Essen und zum Trinken mit. Gleich mal ein weiches Ei zum Frühstück, dann duschen, aufräumen, E-mails schreiben, etc. - und die Moral der Truppe war vorerst wieder ganz okay.
Doch die Wetterberichte kündigten eine langfristige Passatstörung an, und wir waren mitten drin. Daraufhin am 5.Tag noch einmal 120m geschafft, allerdings mit dem "iron topsail" (Motor). Beim Kontrollieren der Tankanzeige dann zwei Überraschungen: 1. weniger Sprit im Tank als erwartet und 2. ein flottes Diesel-Tropfen am Überlaufrohr der Einspritzpumpe. Es folgt ein sofortiges Telefonat per Satellit mit Manfred Schmid, meinem Mercedes-Mann. erste Diagnose: "Vermutlich O-Ring hin, brauchst eine neue Pumpe, kannst aber derweil weiter fahren." Das auch noch! Ein kleines Schlaucherl und ein Auffangflascherl zeigen, dass die Pumpe nur geringfügig tropft, aber von selbst reparieren tut sich sowas bekanntlich höchst selten. Egal, viel können wir eh nicht mehr dieseln, weil nur mehr wenig Diesel da ist.
Am 6. und 7.Tag probieren wir erstmals den Gennaker (großes, leichtes, Spinnaker-artiges Segel) aus, und freuen uns schon über 3kn Fahrt!
Ein neuer Wetterbericht von Rolf (von Intermar) empfiehlt uns viel weiter nach Süden zu fahren, da auf unserer Breite gar kein Wind anzutreffen sein wird. Daher die ganz Nacht über nochmal Motorfahrt Richtung SW. Wenigstens sind wir nicht alleine: Wir erfahren vom amerikanischen 15m Katamaran "APHRODITE" in unserer Nähre und können tatsächlich in Funkontakt treten. Sie motoren ebenfalls nach SW, ihr Ziel ist St. Lucia.

Teil 2: Neuorientierung und Frustration
Die letzten Etmale und die nach wie vor unerfreulichen Wetterberichte zeigen sehr schnell, dass es sich für den Rückflug in Antigua kaum ausgehen wird. Ulli bucht um auf den 13.12. von Barbados. Na, wenigstens eine Sorge weniger. Doch sonst zehren Flauten, Dünung, Segelmanöver ziemlich an den Nerven.
So groß der Atlantik auch sein mag, am 8.Tag sichten wir den US-Katamaran! Bei leichten SO-Winden segeln wir immerhin mit bis zu 5 Knoten unter Gennaker, Besanstagsegel, Fock und Besan. Leider lassen sich die Amis nicht zu einem wechselseitigen Fototermin überreden. Das wären herrliche Bilder von der Anima mitten im Ozean geworden.
Die nächsten drei Tage waren dann die mühsamsten: Abwechselnd leichte Winde und Flauten, glattes und (ohne Wind) aufgewühltes Meer, unzählige Segel rauf-Segel runter-Manöver zum Ausnützen jedes Lüftchens, starkes Rollen des Schiffes (v.a. nachts quälend), das Schlagen der Segel, die zu wenig Winddruck zur Stabilisierung haben, wohldosiertes Ausnützen der letzten 40Liter Diesel durch kurzfristiges Motoren während vülliger Windstillen vor allem nachts.
Am 11. Tag haben wir wenigstens die Hälfte der Strecke geschafft, und es liegen "nur mehr" 1000Meilen vor uns. Zum Glück war die Harmonie innerhalb der Crew immer gegeben: Wir richteten uns gegenseitig auf, unter anderem mit Hilfe eines täglichen Sundowners, mit gutem Essen und dem Festhalten an den kleinen Freuden: Wieder mal kurzfristig 3,5kn Fahrt, Meldungen wie "Wir haben schon 2/5 der Strecke!", nachts durchschlafene drei Stunden Freiwache ohne Segelwechsel und mit relativ ruhigem Meer, Sichtung eines weit entfernten Frachters, ein fliegender Fisch an Deck usw. Ulli meint: "Es muss irgendeine große Belohnung auf uns warten, von der wir noch nichts wisen!"

Teil 3: Rückkehr der Passatwinde und der guten Laune
Der 12. Tag war charakteristisch für Freud und Leid auf dieser Reise, drum sei er kurz im Detail geschildert:
Nachts noch unter beidseitig ausgebaumten Gennaker Fahrt mit 2-3kn und starkem Rollen. Bei diesem geringen Tempo fällt es auch der Selbststeueranlage schwer Kurs zu halten, daher immer auch die Sorge, eigenhändig Steuern zu müssen.
Die morgendliche Messung des Etmals: 67 Seemeilen in den letzten 24h! Bei kalkulierten druchschnittlichen 120 Meilen eher ernüchternd.
Einholen der Wetterberichte: erster Lichtblick: Heute noch "zach", aber ab morgen gibt es wieder Passatwinde.
Um 9h früh plötzlich NNO mit 4 Bft. Sofort alle Segel setzen, aber mit großer Skepsis - berechtigt: Um 10h ist der Wind schon wieder so schwach, dass es nur für 2,8kn Fahrt reicht. Immerhin Zeit für ein Frühstück mit frischem Brot.
1130h - Der Wind ist ganz weg, das Meer ist flach, die Sonne scheint, wir machen Pause und treiben. Wir genießen einen stark verfrühten Sundowner, Ulli macht ein Nickerchen, ich gönne mir ein paar Minuten Satelliten-Telefonate, lese und lenze faul.
Um 14h geht es unter Gennaker und Genua sanft mit 4kn weiter!
1545h - Wind weg, es beginnt zu regnen. Das dauert immerhin eine Stunde. Wir nützen die Gelegenheit zur Süßwasserdusche.
Eine Stunde motoren um vielleicht durch die Regenfront zu kommen.
Um 1730h nächster Wetterbericht, dann plötzlich einsetzender Nordost mit 5 Bft. - Ist das jetzt der Passat? Endlich?! Mit Einbruch der Dunkelheit flaut der Wind auf 3 Bft. ab. Aber wir sind ja schon mit 3-4kn zufrieden!
In der folgenden Nacht blieb uns der Wind bis auf eine Stunde Pause (Motor!) erhalten, zwar noch meist schwach, aber es schien als hätten wir es geschafft. Die Passatwinde waren wieder da!
Der 15. Seetag hatte noch ein paar Überraschungen parat: Nachmittags schlug die Schleppangel endlich an. Ein 75cm Barracuda gab herrliche Filets und tags darauf "Spaghetti al Ragu di Barracuda". Praktisch zeitgleich mit dem Fang brach die Halterung der Backbord-Unterwanten im Mast, zum Glück leeseitig. Ich musste bei schwachem Wind, aber stark rollendem Rumpf für eine Notreparatur in den Mast. Bei dieser Aktion hatte ich ziemlich die ´Hosen voll´ und das Adrenalin stand mir bis zum G´nack! In extremis waren die Schwankungen da oben 5-6m weit und sorgten für entprechende Fliehkräfte. Dazu der Zeitdruck um es noch vor der Dunkelheit zu schaffen. Aber nach einer guten Stunde auf Salinghöhe war alles wieder okay, die Arbeit erfolgreich, und wir konnten das Rigg ohne Einschränkungen weiter "besegeln".
Wohl zeitweise schwach, aber doch blieb uns der Nordost-Passat bis zur Ankunft erhalten. Endlich konnten wir so segeln, wie wir uns es gewünscht und von der Passatroute auch erwartet hatten. Speziell der letzte Tag, die letzten 100 Meilen waren es eine herrliche Raumwind-Rauschefahrt mit Vollzeug, die uns viele der unangenehmen und nervenaufreibenden Stunden vergessen ließen.

Zwei noch erwähnenswerte Dinge:
1. Drei neue Ausrüstungsgegenstände haben sich sehr bewährt und wir waren froh, sie dabei zu haben: Der schon erwähnte Gennaker (Blister, asymmetrischer Spinnaker; ein riesiges, bauchiges, leichtes Segel für schwache Winde) hat uns tagelang vor völligem Stillstand und Verzweiflung bewahrt. Der Schleppgenerator hat brav den Strom gebracht, der für den regen Funk- uns E-mailverkehr notwendig war und den die Solarpaneele wegen vieler bewölkter Tage nicht liefern konnten. Und der kleine Pinnenpilot (Autohelm 2000), den ich noch auf den Kanaren installiert hatte, steuerte über die Windfahnensteuerung das Schiff sehr gut. Den die sonst so zuverlässige Selbststeueranlage der Marke Windpilot Pacific kann ohne oder mit zu wenig Wind den Kurs nicht halten.
2. Abnützung und Materialbeanspruchung waren enorm. Nicht nur ihr Eigner, auch die Anima wird langsam alt... Eine lange Aufgabenliste (wie gewohnt) hat sich für die Karibik angesammelt. Die Hängematte muss warten...

Zu den Bildern vom November -->

 

 
 
 
 
 
 
 
  Oktober ...