Tagebuch Anima III Atlantikübersegelung
von Wolfgang Fröhlich
 


Samstag, 8.11.2003
Ankunft mit TACV um 16h Ortszeit in Sal. Mit dem Taxi fahren wir zur Palmeira Bucht, wo Martin schon seit 3 Stunden auf uns wartet. Wir verladen unser Gepäck auf das Schiff, das mit ca. 20 anderen Schiffen in der Bucht vor Anker liegt. Am Abend gehen wir an Land und essen in Gesellschaft eines alten englischen Einhandseglers, der sein Boot an Land herrichten lässt und sich gerne reden hört.

Sonntag, 9.11.
Untertags div. kleinere Reparaturen. Nach dem Abendessen brechen wir um 19h nach Sao Nicolau, die nächste Insel im Westen auf. Das Meer ist sehr ehrfurchtgebietend mit seinen hohen Wellen. Johannes und Wolfgang ist für ca. 3h durchaus mulmig. Alle 2 Stunden wechselt die Wache. Die ganze Nacht ueber segeln wir flott mit günstigen Winden dahin.

Montag, 10.11.
Ankunft in Tarrafal um ca 9h. Der Ankerplatz ist sehr windig, der Ort nicht besonders einladend, daher kein Landgang. Abends backen wir unser erstes Brot und verzehren es noch warm (Quality Line Brotbackmischung 500g, Billa)

Dienstag, 11.11.
Null Uhr Aufbruch nach Mindelo auf der Insel Sao Vicente. Anfangs im Windschatten der Insel noch ruhiges Wasser, dann aber plötzlich mit 5-6 Windstärken am Wind mit recht hohem Seegang. Auch Martin legt einen lifebelt an und bewegt sich robbend aufs Vorschiff. Wellen kommen regelmässig über Deck, leider etwas zu spät legen wir Ölzeug an. An einen Schichtwechsel ist nicht zu denken, Martin und Johannes bleiben hinter dem Steuerrad verkeilt und verbringen eine ungemütliche Nacht im Halbschlaf, während Wolfgang unter Deck nichts mitbekommt. Der nahezu volle Mond erzeugt Lichtflecken an der Wasseroberfläche, die Martin kurz sogar für eine Untiefe oder einen Wal hält. Gegen 10h können wir hinter Sao Vicente abfallen und auf den meterhohen Wellen gegen die starke Strömung in Richtung Mindelo surfen. Bei der Einfahrt in die große Bucht werden wir bereits von einem Einheimischen empfangen, der uns seine Dienste als Bootguard anbietet. Zuerst noch ablehnend, nehmen wir aber dann auf Empfehlung anderer Segler seine Dienste in Anspruch, da dies uns sicherer erscheint. Martin und Wolfgang machen ihren ersten Landgang in die hübsche, aber etwas heruntergekommene Stadt, der man noch ihre portugiesische Vergangenheit als Stützpunkt der Handelsrouten zwischen Lissabon und Rio ansieht.
Nach Johannes Erwachen machen wir uns gemeinsam auf in die Stadt. Es ist überraschend, was es hier alles zu kaufen gibt. Auch das Internetcafe mit weiblichem Personal ist gut ausgestattet.  Am Abend führt uns Jan, unser Bootguard in ein Restaurant, das aus einem kleinen, schmutzigen Raum besteht, der arg nach Katzenpisse stinkt. An den Wänden hängen viele im Luftzug des grossen Ventilators flatternde Grußbotschaften verschiedener Segler aus aller Welt. Eine dunkle Schönheit bringt uns
ausgezeichneten gebratenen Thunfisch und Beefsteak. Auf dem Rückweg zum Boot durch die schlecht beleuchtete Hintergassen werden wir von einer Bande 10-12 jähriger bettelnder Buben belästigt, die beim Versuch Martin die Brieftasche aus der Hose zu ziehen eine Floschna fangen! Wir können uns nur durch lautes Gebruell und durch Flucht in ein beleuchtetes Lokal vor den zudringlichen Buben retten. Man hört und liest viele Geschichten wie unsicher die Stadt sein soll, sogar vor Anker liegende Yachten sollen am
helllichten Tag überfallen worden sein.

Mittwoch, 12.11.
Zum Frühstück bringt uns Jan frisches Brot an Bord, bringt einen Sack voll Schmutzwäsche in die Wäscherei. Wann immer wir an Land gehen ist er zur Stelle um unser Beiboot zu bewachen und uns zu zeigen, wo wir unsere Einkäufe erledigen koennen. Der Tag wird für Vorbereitungen am Schiff und einen langen Besuch im Internetcafe genutzt. Abends führt uns Jan in ein anderes Restaurant mit traditioneller Live-Musik. Auch im Seglertreff am Ufer (Clube Nautico), in dem wir anschließend einen Grogue zu uns nehmen, spielt eine Band Kap Verdianische Musik. Dort treffen wir die Besatzung eines französischen Bootes, die ein paar Tage nach uns über den Atlantik aufbrechen, mit denen wir Funkfrequenzen vereinbaren.

Donnerstag, 13.11.
Nach einem ausgiebigen Frühstuck mit frischem Gebäck und Eiern erledigen wir die letzten Einkäufe (Obst, Gemüse, Eier) in der Markthalle von Mindelo. Jan bringt uns wieder zur Anima. Dort findet eine kleine Verabschiedungszeremonie mit Überreichung einer Dankesurkunde an Jan statt. Um 11.30h lichten wir den Anker und verlassen die Bucht von Porto Grande, Mindelo.
Zuerst in rauschender Fahrt zwischen den Inseln  S. Vicente und S. Antao (8kn), gelangen wir in den Windschatten der Insel S. Antao, wo zuerst Flaute herrscht und wir später eine Stunde gegen den Wind motoren. Bei Einbruch der Dunkelheit gelangen wir in den Passatwind, setzen Segel und fahren mit 5-6 Knoten bei raumem Wind ins offene Meer hinaus. In der Abenddämmerung begleitet uns eine Delfinfamilie für 10 Minuten unseres Weges.
Die Nacht verläuft ohne Zwischenfälle, am Horizont zeigen sich nur zwei Handelsschiffe.

Freitag, 14.11.
Nach dem Frühstück um ca. 10Uhr großes Duschfest auf dem Vorschiff (Wegen der starken Bewegungen des Schiffes nur auf allen Vieren möglich). Die Segelstellung wird alle paar Stunden korrigiert. Das Großsegel mit Topsegel auf Backbordbug, die Genua auf Steuerbord ausgebaumt, insgesamt 63qm.
12Uhr Verkündung des ersten Etmals (zurueckgelegte Seemeilen in 24h): 141 sm, 5,8kn Schnitt.
Hin und wieder sehen wir eine Gruppe fliegender Fische ueber die Meeresoberfläche huschen. Zum Abendessen gibt es Petersilkartoffeln mit Tomatensalat. Das Kochen ist wegen der starken Roll-bewegungen des Schiffes sehr mühsam. Gegessen wird aus 10cm hohen Plastikschüsseln. Wolfgang hat leichtes Darmgrimmen.

Samstag, 15.11.
Nachts wird der Wind etwas schwächer und unsere Fahrt etwas langsamer. Die ereignislosen Nacht-wachen werden durch Musik aus dem mp3-Player aufgelockert. Der abnehmende Mond geht immer später auf, sodass die Nächte immer dunkler und unheimlicher werden. Wind und Sonne zehren an den Kräften, besonders um die Mittagszeit ist es nur im Schatten erträglich. Das Liegen an Deck wird manchmal durch unvermittelt einsteigende Wellen zu einem nassen Vergnügen.
12Uhr Etmal Verkündung: 137sm , 5,7kn Schnitt.

Samstag, 15.11. Fortsetzung
Abendessen: köstliches Chili con Carne, für Wolfgang gibt es wieder Weißbrot mit Tee. Am Abend wunderschöner Sonnenuntergang und viele fliegende Fische.
Martin und Johannes haben am Horizont Blitze gesehen, daher gilt es besonders aufzupassen, ob wir in eine Schlechtwetterzone kommen. Wie gewohnt übernimmt Johannes die erste Wache von 20:00 bis 22:00, Wolfgang bis 24:00, Martin bis 2:00 und dann wieder Johannes usw. bis 8:00. In dieser Zeit ist auch das Satellitenhandy abgedreht, SMS werden aber auch in dieser Zeit empfangen.
Die einzige Aufgabe in der Nacht ist nach anderen Schiffen Ausschau zu halten (nur keinen Tanker kaputtmachen) und den Crosstrackerror, das ist der Normalabstand unserer Position zur gedachten Linie zwischen Mindelo und Barbados (derzeit etwa 3-5 Meilen) möglichst konstant zu halten. Im Kielwaser kann man eine Straße von fluoreszierendem Plankton beobachten (Noctiluca miliaris). Faszinierendes Schauspiel. Noch immer über 1700 Meilen vor uns. Peter, unserer genialen Wind-fahnensteuerung ist das egal und er fährt die Anima in Schlangenlinien über das Meer der Karibik entgegen.
Martin hat einen abwechslungsreichen Nachtwache-Musikmix für den MP3-Player zusammengestellt und so segeln wir mit Oscar Peterson und den Who mit enttäuschenden 4-5 Knoten durch die Nacht. Kurzzeitig regnet es leicht (10 Tropfen), ansonsten keine besonderen Vorkommnisse.

Sonntag, 16.11.
Beim herrlichen Frühstück mit Sonntagsei geht unser letztes Weißbrot wegen Schimmelbefalls über Board. Anschließend Lesestunde. Bereits ausgelesene Bücher: Stefan Zweig "Magellan", Michael Moore "Stupid White Man".
Etmal: 134 sm (5,6  Knoten Schnitt)
1 Seemeile (sm) = 1,852  km, 1 Knoten = 1 sm/h ~ 1,852 km/h
Am Nachmittag wird erstmals die Angel (vergeblich) ausgehängt. Wir sehen plötzlich hinter der Anima einen etwa 10 m grossen Wal. Er kommt breitseits in ca. 50 m Abstand und verlässt uns nach ca. 5 Minuten wieder.
Abendessen mit Polenta-Käse Auflauf. Wolfgang macht nach 2 Tagen Weißbrot und Tee einen Belastungstest mit Chili con Carne vom Vortag. Sundowner: Campari Orange mit Milka Feinnuss. In einer sternenklaren Nacht kommt endlich wieder ordentlich Wind auf und die Anima fliegt mit durchschnittlich 6 Knoten über die Wellen.

Montag, 17.11.
Der Wind bleibt auch tagsüber beständig und so kann Martin wieder ein
hervorragendes Etmal bekanntgeben: 138 sm, Schnitt: 5,75 Knoten.
Nach dem Frühstück werden der Anima noch 2 Vorsegel spendiert. Ein Klüver (15 qm) und die Fock (8 qm), sodass die Anima nunmehr mit ingsamt ca 90 qm bei steifer Brise selten unter 6-6,5 Knoten braust. Martin und Wolfgang nehmen wieder eine erfrischende Dusche am Vordeck, Johannes ist nach der unter schwierigsten Bedingungen durchgeführten Rasur zu erschöpft. Die in Mindelo absichtlich noch unreif gekauften grünen Bananen sind immer noch nicht genießbar und liegen nunmehr seit 2 Tagen an Deck in der Sonne. Angelmäßig scheinen die Fische unsere listvoll ausgebrachten Köder zu ignorieren.
Martins Verband wird nur mehr alle 36 Stunden gewechselt. Die letzten verbleibenden offenen Wunden von seiner Verbrennung sind, bis auf eine ca. 2x1 cm große, schon sehr schön verheilt.
Zurzeit motoren wir trotz guten Windes, um unsere Batterien wieder aufzuladen. Der Laptop frisst ganz schön Strom. Martin bereitet Spaghetti Carbonara.
Nachtrag 1. Nachtfahrt: Wolfgang opfert seine 85 Euro Stirnlampe Poseidon.  
Fortsetzung des Märchens von der Atlantikübersegelung
UT: Wie schreibe ich ein Tagebuch, wenn absolut nichts passiert.

Montag, 17.11. Fortsetzung
Martin hat viel zu viel Spaghetti gekocht und eine Diskussion über Salmonellen entsteht. Johannes schluckt daraufhin ab sofort ebenfalls Bioflorin. Martin hat gerade wieder eine Möwe entdeckt, und das obwohl wir schon über 600sm vom Land entfernt sind. Wahnsinn, wie viel Kilometer die zurücklegen können.
Diesmal sieht es nach dem perfekten Sonnenuntergang aus, aber, wie jeden Tag bisher, schieben sich im letzten Moment die Wolken am Horizont davor, und wir sehen den roten Feuerball wieder nicht im Wasser untergehen. Naja, vielleicht morgen oder nächste Woche. Wir sitzen bis zum Beginn der Nachtwache unter dem beeindruckenden Sternenhimmel. Sowas bekommt man nur über dem ansonsten lichtlosen Meer geboten, keine Lichtverschmutzung.
Nur vor uns befindet sich eine große Wolkenbank, sodass der Horizont nicht auszumachen ist. Ein eigenartiges Gefühl, ins Ungewisse zu segeln. Die Schlussszene von "The Truman Story" kommt uns in den Sinn. Sind vielleicht die immer genau zur Essenszeit besonders hohen Wellen kein Zufall? Während der ganzen Nachtwache bleibt die Wolkenbank in unserer Richtung stehen, wir warten darauf auf dem künstlichen Horizont aufzulaufen.
Der Wind kommt wieder östlicher, Peter steuert daher etwas zu weit nördlich, aber keiner hat Lust zu halsen (alle Segel werden auf die andere Seite geworfen). Das können wir morgen oder übermorgen immer noch (Wir sind schon echte Fahrtensegler, wer sich als Erster rührt, hat verloren). Was soll's, pflügt die Anima wie ein Schmetterling doch mit 6 Knoten das Wasser. Heute ist es eine besonders warme Nacht und so bleibt die Jogginghose im Schrank und es wird in Badehose gesegelt. In der 2.ten Nachtwache flaut der noch immer östliche Wind etwas ab, sodass die Anima wegen der vom Wind unbeeindruckten nordöstlicher Dünung heftig rollt (um die Längsachse schaukelt). Mondaufgang wieder 1 Stunde später (2:00). Wir haben die Uhren immer noch nicht umgestellt, obwohl wir den 35. Längengrad schon lange überschritten haben, sind daher noch auf UTC -1 (=Österreich +2h). Keine Schiffe am Horizont, nur Sternschnuppen, ein paar Flugzeuge oder Ufos am Himmel - gute Nacht.

Dienstag, 18.11.
Am Morgen ein enttäuschendes Bild: schwacher Wind und noch immer aus der falschen Richtung. Unser Crosstrackerror ist auf 10 Meilen angewachsen. Wird wohl doch nichts mit dem erhofften Rekordetmal.
Frühstück heute etwas später, da Johannes frisches Brot bäckt (Hofer). Ist im Abgang zwar etwas säuerlich, sonst aber innen sehr fruchtig mit bissfester Kruste.
12:00 abgelesenes Etmal: 139 sm (Schnitt: 5,8 Knoten)
Den ganzen Tag über frischt der Wind nicht auf und wir tümpeln mit 5 Knoten (incl. 0,5 Knoten Strömung) dahin. Anima spielt Rodeo mit uns. Unser Kurs fährt uns immer weiter nördlich, zur Zeit steuern wir Richtung Martinique (rechtweisend 285° statt 265°). Wir werden wahrscheinlich doch wohl oder übel in den nächsten Tagen halsen müssen - STRESS!
Die Sonne brennt unbarmherzig auf uns herab, 35° im Schatten, doch nirgends ein Schatten zu finden. Martin spendiert noch eine Plane, um den Schattenanteil an Deck auf 3 qm zu erhöhen, in dem wir uns zu dritt zusammendrängen. Aber was erzähl ich, Ihr habt wahrscheinlich ähnliche Probleme.
17:00 Noch immer hat der Wind nicht gedreht. Die Nerven liegen blank. Aus - Schluss - nicht mit uns. Wir lassen uns das nicht mehr gefallen. WIR HALSEN, UND DAS SOFORT!!!
Nach 3 Minuten sind alle Segel auf der anderen Seite und die Anima steuert auf richtigem Kurs der Abendsonne entgegen. Nach diesem extrem langwierigen und anstrengenden Manöver haben wir uns endlich Ruhe verdient. Johannes kocht Gemüsesuppe.

Dienstag, 18.11. Fortsetzung
Nach dem Abendessen holen wir unsere Angel, die wir den ganzen Tag den Fischen zum Fraß vorwerfend hinter uns hergezogen haben - und - ES HAT TATSÄCHLICH EINER ANGEBISSEN! Was heißt angebissen - durchgebissen hat er sie, mitsamt Senkblei und unserem Hauptköder, einem sehr hübschen rosaroten Plastiktintenfisch (oder wir haben sie schlecht angebunden). Aber morgen werden wir Fisch auf unseren Speiseplan setzen. In der ersten Nachtwache kommt endlich Wind auf und schon surfen wir wieder mit 6 Knoten. Von hinten überholen uns während Johannes'  Wache vereinzelt kleine Regenwolken. 231 Tropfen Süßwasser verteilen sich auf der Anima. In Anbetracht der knappen Stromressourcen hören wir heute nocheinmal Martins gestrigen MP3-Mix, wieder eine ausgezeichnete Mischung, hey! Ten Years After, schon lange nicht mehr gehört, super! In der 2.ten Nachtwache leider wieder einschlafender Wind: 4,5-5 Knoten, wird wahrscheinlich unser schlechtestes Etmal. Windrichtung wieder nördlicher, super! Oh nein, das hätt' ma ja gestern gebraucht, wir haben ja inzwischen gehalst. Also fahren wir etwas zu weit südlich, Brasilien wir kommen! Während Martins Wache dreht der Wind noch weiter nördlich, sodass wir 20° zu weit links fahren - Argentinien, na ja. Wenn Johannes und Wolfgang endlich aufstehen, wird zurückgehalst. Wolfgangs langer Schlaf und ein plötzlich von Südost wehender Wind verhindert dies. SÜDOST! Verrückte Passatwindroute. Auf der Wasseroberfläche eine kleine Vorführung unserer Freunde, der fliegenden Fische. Kennen wir schon! Neue Choreographien sind gefragt, meine Lieben! Heute ist Bananentag! Endlich sind die Bananen reif, sowohl die, die wir an Deck in die Sonne gelegt haben, als auch die in der schattigen Messe belassenen. Frühstück: Müsli mit Bananen und Bananen mit Nutella - herrlich! Modifiziertes Angelschema: nur ein rosa-weiß gestreifter Plastiktintenfisch, alle anderen Köder werden entfernt. Die Fische sollen sich auf ein Ziel konzentrieren können. Etmal: enttäuschende 124 sm, 5,2 Knoten Schnitt Wir gratulieren Martin zur 5000. Seemeile seit Abreise im Juli aus Grado! Er bekommt von uns 1 Packerl Mannerschnitten und - eine Banane, hat aber heute Fasttag, Wolfgang opfert sich. Johannes bäckt für's Abendessen neues Brot. Martin und Wolfgang experimentieren mit der Videocamera. Über einen komplizierten Seilzugmechanismus wird sie zwischen den beiden Masten hochgezogen um neue Perspektiven auszuprobieren. Naja, leider rollt die Anima gerade wieder bei 4-4,5 Knoten und so wird das eine sehr verwackelte Gechichte. Fortsetzung folgt bei ruhigerer See. Vom Norden kommt eine ewig langgezogene Dünung, vom Nordosten die Passatdünung und vom Südosten die Windwellen, alle treffen sich genau bei uns und die Anima spielt Schaukelpferdchen. Auch am Nachmittag kein besserer Wind, gut dass wir die Batterien aufladen müssen. 2 Stunden Dieselfahrt. Bei dieser Gelegenheit können wir auch Martin's neue Deckdusche das erste Mal testen und gleich emails abrufen und senden. Zum Abschluss noch Antworten auf Fragen unserer Zuhörer: Niki K. aus Wien 9 fragt, wie weit es denn noch sei bis Barbados und wieviel des Weges wir schon zurückgelegt haben. - Nun, lieber Niki, so genau können wir Dir das nicht sagen, weil wir uns andauernd weiter fortbewegen. Selbst wenn wir's Dir wahrheitsgemäß jetzt hier aufschreiben würden, wäre es am Schluss des Satzes bereits wieder überholt (nämlich genau hier, also wenn ich dann die Klammer wieder zugemacht habe und nach dem Punkt). Aber von den anfänglich 2013 Seemeilen haben wir jetzt (17:50 UTC) noch genau 1178 sm vor uns. Mindelo: 17°20' N, 25°15' W, Barbados: 13°5' N, 59°35' W Anima: 15°27'25,5 N, 39°27'20,5 W.
Es ist soweit! Der Augenblick, den wir 8 Tage lang herbeisehnen. Er ist nunmehr da. Unsere GPS-Anzeige im Steuerstand zeigt uns seit Beginn der Reise eine Distance to Waypoint von 999 Seemeilen. Seit diesem Augenblick ist alles anders. 998 zeigt das Display nur noch, und mit jeder zurückgelegter Meile verringert sie sich. Ein Licht am Ende des Meerestunnels. Wir haben die Mitte des Atlantiks überschritten! Von Ferne hören wir schon die Steeldrums spielen, der Duft von frischen Früchten umspielt unsere Nasen, der Geschmack von Rum macht sich in unseren verdörrten Kehlen breit - Karibik - wir kommen!  

Freitag, 20.11. Fortsetzung
Rien ne vas plus. Den ganzen Nachmittag fahren wir schon mit einer SOG (Speed Over Ground) von unter 5 Knoten, dazu Dünung aus Südost - schon rollt die Anima wieder -  und am Abend keine Besserung. Die Segel verlieren beim Schwanken der Anima nach rechts ihre Füllung und sobald der Wind die Segel beim Zurückschwingen wieder spannt, knallt die Genua wie ein trotziges Kind, das mit dem Fuß aufstampft. Nicht nur unangenehm für die Crew, sondern auch extrem Material be--anspruchend für Segel, Bugsprit und Stenge. Noch hält alles. Immer und immer wieder das Knallen der Segel, Wasser, das ungefragt über die Bordkante einsteigt und Anima als Rodeoarena. Eigentlich hatten wir für unsere Überfahrt konstanten Wind mit 4 - 6 Beaufort gebucht. Und jetzt, na höchstens 2. Was tun, umdrehen? Rechts zufahren, in die Parkbucht, auf bessere Winde warten? Nach dem Abendessen (Germknödel) haben wir eines unserer Prinzipien verletzt: kein unverrottbares Material über Bord. Die Nirostabürste wurde von Wolfgang mit dem Abwaschbade ausgeschüttet und liegt nun für alle Zeiten 3000 m unter dem Meeresspiegel, höchstens noch einem verlausten Barracuda als Kratzbaum dienend.
Nacht:Warum darf man eigentlich dem Überbringer schlechter Nachrichten nichts tun? Heute war's besonders schwer zur Nachtschicht aufgeweckt zu werden. Nach einer halben Stunde im Steuerstand endlich halbwegs wach: leichte Besserung, die SOG klettert wieder manchmal über die 6 Knotengrenze, mal sehen, vielleicht kommen wir ja doch noch an. In der zweiten Schicht wieder Ernüchterung, kein Wind, Rollen, Segelschlagen, nichts geht (bis auf Johannes' Germknödel, die gehen soeben im Magen nochmals auf, oops).

Samstag, 22.11.
Bereits um 9:00 brennt die Morgensonne unbarmherzig auf die Anima nieder. 2-3 Beaufort, und Radio France lässt auch für den restlichen Tag keine Hoffnung aufkommen. Zumindest entnehmen wir das aus dem durch den Kurzwellenempfänger wie von einem betrunkenen, lispelnden Sprecher tönenden Durchsagen. Erkenne einmal als Nicht-Native den Unterschied zwischen Est und Ouest!. Na egal, wir werden's schon sehen, ändern können wir's sowieso nicht. Die Crew richtet sich auf weitere Tage mit tropischen Temperaturen ein. Zusätzliche Sonnensegel werden aufgespannt. Nach dem Frühstück beginnt der Wettlauf um die besten Schattenplätze. Johannes muss sich mit dem Achterdeck begnügen, immer gewärtig einer einsteigenden Welle durch raches Aufspringen zu entrinnen. 2.schlechtestes Etmal mit
128 sm, Schnitt: 5,3 Knoten. Wenigstens die Segel haben aufgehört zu schlagen, ein Indiz, dass wir permanent über 5,3 Knoten fahren. Die Stimmung kehrt aus der Bilge zurück. Gegen Abend wie immer zur Essenszeit nachlassender Wind und Rodeo. Johannes kocht Risotto al Aglio Tonno Pomodoro. 

Samstag, 22.11. Fortsetzung
Nach dem köstlichen Thunfischrisotto (Martin und Wolfgang werden noch zu Fischessern) bunter Abend auf der Anima. Martin packt die Gitarre aus und wir segeln (3 Knoten) mit leiser Musik in die Nacht. Die Vorsegel schlagen in ihrem eigenen Dünungstakt dazu. Wieder hat man es geschafft in der noch immer heißen Koje einzuschlafen ... HEY! Langsam beginnt der Wind etwas aufzufrischen und die SOG klettert zuerst über 4, dann schließlich sogar über 5 Knoten. Nach dem gestrigen MP3-Mix mit Mathildas Waltz und anderen Songs von Benedicts Ultimativer Geburtstags-CD, heute ein von Martin und Johannes zusammengestelltes Sample (Jarreau, McFerrin, CREAM!...). In der Nacht, wo unsere Solarzellen mit so ineffizientem Schwarz bestrahlt werden, macht sich der Luxus eines stromfressenden kalten Eiskastens besonders bemerkbar. Die Solarpanele liefern ihre maximal 8 Ampere eben nur einige Stunden am Tag, wenn sie in optimalem Winkel von den Sonnenstrahlen getroffen werden. Da das GPS mit einem Piepston unverkennbar mehr Batteriespanung fordert, müssen wir 2 Stunden den Motor laufen lassen, obwohl die Anima durch den wieder stärker werdenden Wind gerade mit 5 - 6,5 Knoten in die Dunkelheit fliegt. Besonders in einer mondlosen Nacht sind die in der Gischt hell aufblitzenden fluoreszierenden Noctiluca ein nettes Schauspiel.

Sonntag, 23.11.
Bereits um 9:00 brennt die Morgensonne unbarmherzig auf die Anima nieder. 2-3 Beaufort. Die Crew richtet sich auf weitere Tage mit tropischen Temperaturen ein. Zusätzliche Sonnensegel werden aufgespannt. Nach dem Frühstück beginnt der Wettlauf um die besten Schatten... (Und täglich grüßt das Murmeltier) ... STOP! Nicht heute. Heute ist Sonntag und es gibt Eierspeis mit frisch gebackenem Brot (deutsches Produkt, irgendwo in Spanien gekauft), das leider nur den enttäuschenden und undankbaren 3. Platz, der bisher verwendeten Brotbackmischungen einnimmt. Als süße Beilage empfiehlt der Küchenchef heute Apfelkraut, eine köstliche Rheinische Spezialität, ungezuckerte Marmelade aus gepressten Ãpfeln und Birnen mit einem powidlähnlichen Beigeschmack. Von Radio France International vernehmen wir Wind aus Südwest mit 4-6 Beaufort. Hoffentlich meint er Est und nicht wirklich Ouest, denn genau dort woll'n wir hin und gegen den Wind mit 6 Beaufort auf die Nase ist wahrscheinlich kein wirkliches Vergnügen. Obwohl heute mehr Wolken als gestern, hat es schon beim Frühstück 31° und gleich einem Verhungerndem vor vollem Teller sitzen wir schweißgebadet und starren in das (mehr oder weniger) kühle (aber sicher nasse) Nass des uns auf allen Seiten umgebenden Ozeans. Etmal: 120 sm, Schnitt: 5 Knoten. Für unser Ziel, am Freitag bei Tageslicht in Barbados anzukomen, müssten wir ein durchschnittliches Etmal von 130 sm schaffen (wie in der ersten Hälfte unserer Reise). Noch 672 Seemeilen - Zwei Drittel des Weges absolviert. 2-3 Beaufort und trotzdem fahren wir mit immerhin 4,5 - 5,5 Knoten. Toll, was die Anima aus so wenig Wind macht. Am größten Teil des Nachmittags ist der Himmel, über den uns von Beginn an begleitenden tieffliegenden Wattebäuschchen (Passatwolken) fast vollständig von einer dichten Wolkenschicht bedeckt, sodass die Sonne uns wenigstens nicht komplett ausdörrt. Kurs bei ca. 4 Knoten derzeit: Brasilien, eine Halse steht im Raum. Radio France Vorhersage bis jetzt noch nicht eingetreten. Johannes kocht nicht (Sonntag=freier Tag).  

Sonntag, 23.11. Fortsetzung
Auch nach dem kalten Abendsessen 2 Beaufort, 3-4 Knoten, aber der Wind dreht leicht östlicher, sodass wir nur mehr 5-10 Grad zu weit südlich steuern, vorerst keine Halse. Backboard querab (links neben der Anima) sehen wir 3 ineinander vertaute grellorange Fender schwimmen: Fischernetze mitten im Atlantik? 'nur noch 647,5 Meilen bis Barbados'-Markierung? der Eingang nach Atlantis? In der wolkenverhangenen dunkelsten aller bisherigen Nächte wechselnde Windstärken sowie Rich-tungen, Regen mit kurz davor auftretenden Windböen, dementsprechend 3 - 6,5 Knoten.

Montag, 24.11.
Während des Frühstücks haben wir für 5 Meilen noch 53 Minuten Zeit, damit wir zumindest ein Etmal von 120 erreichen (wir werden genügsamer). Wir beschließen Martin zu bestechen oder 10 Minuten aufzuhalten, damit er später abliest (oder wir borgen uns ein paar Meilen von einem späteren, hoffentlich besseren, oder bleiben nach dem Ankern in Barbados noch 10 Minuten sitzen, nur nicht unter 120!). Etmal: 120 sm ;), 5 Knoten Schnitt. Heute wieder Angeltag. Wir modifizieren unser erfolgreiches Schema und versuchen es mit einem rotierenden Blinker. Thunafischen können wir schon, heute wollen wir Weißen Hai oder Dorade. 2 Stunden motoren aufgrund noch immer wolkenverhangenen Himmels und wenig Energie aus den Solarpanelen, das heißt Gelegenheit zur elektrischen Körperhygiene (Decksdusche braucht relativ viel Strom)! An der Wolkendecke scheitert auch das (aber heute wirklich) Vorhaben unsere theoretischen Kenntnisse über Astronavigation in die Praxis umzusetzen (na gut, dann morgen). Damit das Kleine auch einmal Atlantikluft schnuppern darf, setzen wie bei achterlichem bis raumem Wind (von schrÄg hinten) das Besansegel und fahren bei keinem Wind immerhin 5 - 5,5 Knoten (Wind wird nur mehr ab 3 Beaufort als Wind bezeichnet). Derzeitige Segelführung: Groß-, Top-, Besansegel, Klüver und Genua. Ein Minifisch (ca. 20 cm) verfängt sich in unserer Angel. Wir aber wollen Hauptspeise und so entlassen wir ihn lebend in seine Heimat. Kurz danach ertönt unser 'Fisch zappelt an Leine'-Alarmglöckchen ein zweites Mal, allerdings nur sehr kurz. Ein riesiger Meeresbewohner (nach den Gebissspuren an der Angelschnur zu schließen) hat unseren Köder mitsamt Bleigewicht verspeist. Um soetwas künftig zu verhindern, wird auch das Vorfach aus Nirostadraht gefertigt und unser Erfolgsköder (Plastiktintenfisch mit schlank machenden rosa-weißen Längsstreifen) wieder eingesetzt. Johannes versucht durch teilweises Einholen und wieder ins Wasserlassen der Leine die Fische zu motivieren. Schließlich muss langsam die Menüfolge des Abenddiners festgelegt werden. Im Laufe des Nachmittags verebbt dieser Nicht-Wind, wir verlieren an Fahrt (3 - 4 Knoten), halten an und betrachten die (Land)Meerschaft. Die Strömung treibt uns weiter Richtung untergehender Sonne. Die Stimmung ist ausgezeichnet, wir wollen ja schließlich bei Tageslicht (Samstag) in Barbados einreiten, nicht unbeachtet Freitag nachts.

Montag, 24.11. Fortsetzung
Johannes kocht Pizza.Salami - Mais Calzone auf der Anima - köstlich! Alles brav aufgegessen, trotzdem kein Wind. Wir beschließen die Batterien einmal ganz aufzuladen und bereiten uns auf eine Nacht unter Motor vor. Diente die Fahrt unter Motor früher dazu, 'an kalten Eiskasten zu machen', wird diese Energiespende heute dazu genutzt sämtliche Batterien/Akkus unserer technischen Geräte aufzuladen (MP3-Player, Laptop, Satellitenhandy, Photo-, Videocamera,...). Ohne Wind funktioniert natürlich auch unsere Windfahnensteuerung, [da beda] nicht. So müssen wir mit Pinne steuern, ganz schön anstrengend. Unvorstellbar, wenn wir die ganze Reise so steuern hätten müssen, unsere T-Shirts wären über den Muskelbergen völlig zerrissen. In der Nacht glücklicherweise ein leichtes Lüftchen, sodass wir dem Peter großteils die Steuerung wieder überlassen können. Um 22:10 noch 504 sm nach Barbados=> 3/4 des Wegs zurückgelegt! Die Schiffsschraube zeichnet lustige Schlangenlinienmuster mit fluoreszierendem Plankton in die schwarze Meeresoberfläche. In der 2. Nachtwache kommt WIND auf, wir baumen die Genua links aus und schon geht's dahin, 5 - 6,5 Knoten und die Masten Ächzen unter der plötzlich wieder zu leistenden Arbeit. Bewölkung nimmt ab, ober uns auch wieder Sterne zu sehen.

Dienstag, 25.11.
In der Früh ein kurzer, aber heftiger Regenguss, alle Polster in den Maschinenraum, Luken dicht, Ölzeug angezogen. Frühstück mit Bohnenkaffee. Und täglich ziehen wir Sonnensegel auf, der Himmel heute beinahe wolkenlos, die Sonne sticht. Wir spannen ein paar Passatwölkchen vor die Anima und lassen uns Richtung Westen ziehen. Etmal: 120 sm, Schnitt: 5,5 Knoten, das aber nur, weil die Anima durch einen sagenhaften Endspurt die letzten 3 Meilen in 21 Minuten geschafft hat. Wieder hat wer an der Uhr gedreht, ein Zeichen, dass wir doch voran kommen, wir sind jetzt UTC -3 (Wien -4h). Angel mit gleichem Setup wie gestern und schon um 13:00 zappelt eine grünschillernde ca. 60 cm lange Dorade (Goldmakrele) am Köder. Nach kurzem aber unfairen Kampf landet sie filettiert im Eiskasten. Martin übt sich in Astronavigation: 13°52' Nord (richtig), 55° West (wir sollten eigentlich Barbados schon sehen! Wir halten verbissen nach Land Ausschau. So vergeht der Nachmittag, bis er zugibt, sich wahrscheinlich unter Umständen doch vielleicht etwas vermessen zu haben). Wir fahren mit SOG 4-5 knots. Johannes kocht Reis, Kartoffel, Dorade

Dienstag, 25.11. Fortsetzung
Johannes' dritte Haube für: 1. rohes wasabiertes Doradescheibchen auf mit Sojaöl beträufeltem Reishäubchen, 2. Goldmakrelenfilet natur goldbraun gebacken mit Erdäpfelsalat, 3. Ananasstückchen mit braun ummantelten Nussstückchen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Kulinarisch beglückt ziehen wir uns zu leiser Gitarrenmusik für ein Abendschwätzchen an Deck zurück und schauen der Natur bei ihren Wolkencolorierungen im Zuge des Sonnenunterganges zu. Venus und der Hauch von wieder lauter werdendem Mond liefern sich dazu ein Tänzchen und gehen ab. Die ganze Nacht hindurch mehrere kurze aber heftige Regenschauer mit starken Windböen (Ich habe die Sieben (*Knoten*) geseh'n!). Die Abwetterungsstrategien differieren von: Ölzeug an bis: Kleider aus (angenehm mal wieder ein bisschen zu 'frieren'). Dazwischen wechselnde Windstärken (3,5 - 6 Knoten). Atlantik an Erde! Es scheint hier doch humanoide Lebewesen in riesigen mobilen beleuchteten Wohn-einrichtungen aus Stahl zu geben. Ein Tankschiff begleitet uns ein Stück weit, von achtern kommend, dann am Backbordhorizont entlangsteuernd. Ein Verkehr ist das hier, hatten wir doch gerade erst (siehe Tagebuch 1) 2 Schiffe gesehen. Nirgends kann man mal für ein paar Stunden allein sein. In der Morgendämmerung unschuldiger sich erst rötender dann bläuender Himmel mit Wattebällchen bei 5-6 Knoten Fahrt. Verspricht ein heißer Tag zu werden.

Mittwoch, 26.11.
Gehalten: 32° zum Frühstück bei wie immer zur Essenszeit sich aufschaukelnder Dünung (warten auf die nächste Welle für den nächsten Schluck Filterkaffe). Der Atlantik wird immer hübscher, täglich hellblauer mit türkisem Farbton. Etmal: 124 sm, Schnitt: 5,2 Knoten Die Anima hat 2 vorantreibende Segel und 3 schweihintanhaltende Segel aufgezogen. Am Nachmittag unter letzteren Lesestunde (Hoeg: Smilla, Irving: Alhambra, Gogol: Tote Seelen), bei herrlichem Wetter und gutem Wind aus Nordost (Kurs etwas zu weit südlich), SOG 5 - 6 Knoten. Das GPS zeigt noch 283 Meilen, bei 6 Knoten Schnitt eine verbleibende Fahrzeit von 46 Stunden 24 Minuten und eine estimated time of arrival (ETA) um 17:39 UTC. Johannes und Martin kochen Spaghetti.

Mittwoch, 26.11. Fortsetzung
Vorpeise Sushi. Hauptspeise wahlweise Spaghetti aglio olio peperoncini oder Spaghetti aglio pomodoro dorada. Nachspeise gestapelter Waffeltraum mit Haselnusscreme. Wind weiterhin aus Nordost, wir fahren mit ca. 6 Knoten um etwa 10 Grad zu weit südlich und hoffen, dass der Wind wie von Radio France angekündigt wieder auf Südost dreht. Wenn nicht, machen wir morgen eine Halse. Die brauchen wir für die Einfahrt nach Barbados sowieso. In der Nacht weiterhin steife Brise mit SOG von bis zu 8 Knoten. Anima fliegt wieder! Leider noch immer zu nördlicher Wind. Wir fahren einen Kurs von rechtweisend 245°, sollten aber ursprünglich 267 schlussendlich sogar 278° steuern. Sobald es hell wird (Sonnenaufgang 6:50) werden wir halsen und dann wahrscheinlich auf raumem oder achterlichem Kurs bis Barbados weiterreiten. So unfreundlich die gestrige Nacht war, umso mehr bemüht sich heute der klare Sternenhimmel mit den fluoreszierenden Planktonhorden, die riesige untermeerische Leuchtfeuer veranstalten, um die Wette zu funkeln.  Wieder stürzen sich verglühende Sternreste wie Lemminge scharenweise in unsere Atmosphäre. Und obwohl man Wünsche, damit sie in Erfüllung gehen nicht ausprechen darf, glaube ich wird jeder die geheimste Sehnsucht, nach so einer langen Fahrt auf offener See erahnen können. Denn das, was nach einer 14-tägigen einsamen Reise ins Ungewisse, nach nahezu unmenschlicher asketischer Enthaltsamkeit am meisten abgeht ist natürlich ...Süßwasserdusche, richtig.

Donnerstag, 27.11.
6:30, die Morgendämmerung ist bereits hereingebrochen, allgemeines Wecken. Der Wind hat leider nicht gedreht, wir halsen. Bei mittlerweile 5 - 6 Beaufort und einer Geschwindigkeit von 7 Knoten kein leichtes Unterfangen. Das Großsegel, nach nunmehr über einer Woche wieder auf Backbordbug und der ausgebaumte Klüver ziehen die Anima mit ca. 7 - 7,5 Knoten jetzt wieder auf richtigem Kurs. Das ist wahres Passatsegeln! Der Atlantik zeigt uns nocheinmal seine Qualitäten als Segelrevier und bis zu 3 Meter hohe Wellen steigen nicht nur von back- und steuerbord, sondern auch von achtern ein. Beim Surfen auf den hohen Wellenbergen vergrößert sich unser Horizont um ein paar Meilen und backboard querab kann ein Segelboot für ein paar Stunden mit uns mithalten, verschwindet aber wieder und ward nicht mehr gesehen. Rekordetmal: 145 sm bei einem Schnitt von über 6 Knoten! Wäre wohl noch etwas mehr geworden, wenn wir in der Nacht unseren Kurs gehalten hätten. Gezählt wird nur die Ãnderung der Differenz zum Zielort. Reminder: heute vor 14 Tagen sind wir in Mindelo ausgelaufen! Bei etwas schwächeren Winden (4 Beaufort) setzen wir zusätzlich das Topsegel und essen unsere letzten Schokoreste auf, jetzt wo absehbar ist, dass wir in den nächsten Tagen unsere Vorräte wieder auffüllen können. Bei drehenden Winden (Klüver rauf, Klüver runter, Fock rauf,..) geht's mit vereinzelten Regenschauern weiter Richtung Barbados. Johannes wärmt Spaghetti auf.

Donnerstag. 27.11. Fortsetzung
Nach dem Abendessen immer noch starker Wind mit 5 Beaufort, wir nehmen Topsegel und Klüver runter und fahren mit 7 Knoten in die Nacht.  Ein weiteres Segelschiff wird links liegen gelassen. Zum letzten Mal quälen wir uns bei Schichtwechsel aus dem Bett, wieder einmal durchschlafen, das wär's. Eine Nacht ohne Regen und mit aufregender Geschwindigkeit zwischen 6 - 7 Knoten. In der 2. Wache nimmt der Wind ab, 5 Knoten SOG zeigt das GPS. Dunkel ist die Nacht ohne Sterne und ohne Mond. Am Horizont zeichnet sich ein Halbkreis von hellerem Himmel ab. Wir steuern auf dessen südliches Ende zu. Nicht ganz so schnell, wie erhofft, aber unaufhaltsam vergrößert sich der Radius dieses unnatürlichen Lichterscheins. Im Morgengrauen vermischt sich dieser mit der Graufärbung des hinter uns liegenden Himmels durch die noch unterhalb des östlichen Horizonts liegende Sonne. Nach Sonnenaufgang wieder das gewohnte Bild. Fort sind die Lichter einer fernen Stadt, die auf den Himmel projezierten Spuren einer Zivilisation.

Freitag, 28.11.2003
Wind hat etwas nachgelassen, alle sind heute früher auf, starren auf den Horizont vor uns, den Horizont, der uns seit dem ersten Tag unverändert begleitet, der aber in der Nacht schon Andeu-tungen des Endes unserer Reise gezeigt hat. Dann, um 9:24 plötzlich ändert sich der bekannte Anblick und gibt zwischen dem wolkenverhangenen Himmel und dem noch graublauen kabbeligen Meer anfangs nur eine leichte Erhabenheit der Horizontkontur, später eine schemenhafte Silhouette steuerbord voraus frei. Landfall! Nach fast genau 15 Tagen. Als Abschiedsgeschenk des offenen Ozeans verkündet Martin das Rekordetmal von 152 sm, Schnitt: 6,3 Knoten!

Anima und Besatzung sollen sich in bestem Zustand präsentieren und so gibt's Dusche mit zusätzlicher Süßwassernachspülung. An Deck wird alles aufgeräumt, die Leinen schön aufgeschossen, die Fender aus der Versenkung geholt und aufgepumpt. Immer deutlicher zeigt sich uns die Insel, wir müssen noch um die Südspitze herum und dann die erste Bucht rechts. Johannes überrascht uns mit frischgebackenen Buchteln! Anima, das österreichische Schiff reitet in der Karibik mit dem Duft einer österreichischen Mehlspeise ein.

Wir haben Westtindien erreicht! Die Inseleinwohner bewundern das stolze Schiff und winken von Land. Wir wollen ihnen Glasperlen geben und erwarten dafür eine Ladung Gold und Gewürze von den einheimischen Häuptlingen. Diese wollen Dollar und geben uns dafür einen Ankerplatz in einer nahegelegenen Bucht. Also doch Bridgetown auf Barbados. Wir sind am Ziel der Reise angelangt. Jetzt sitzen wir nach einem Drink und erstem Schwimmen im warmen, türkisen karibischen Meer und freuen uns bei Sonnenuntergang auf den ersten torkelnden Landgang.

Und damit schließt sich dieses Tagebuch des Abenteuers der Atlantikübersegelung der ANIMA mit ihrem Kapitän Martin und ihrer Crew Johannes und Wolfgang. Nicht alles, was hier niedergeschrieben wurde, war frei erfunden. Nicht alles, was wir erlebten, fand hier Eingang.

 

 
 
ENDE
 
 
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