LOGBUCH DER ANIMA
  DEZEMBER 08:
In den kleinen Antillen:
Barbados-Martinique-St. Vincent-Grenada
 

Im Dezember war anfangs nicht allzu viel los. Daher will ich vorerst kurz von zwei Seglerbekanntschaften berichten, die die Bandbreite der Möglichkeiten des Langzeitsegelns ganz gut zeigen:
In Martinique lernte ich eine jungen Belgier (halb Deutscher) kennen, der in diversen Kursen Segeln gelernt hat um dann mit 25 seinen Job zu quittieren und mit einem Budget von 80.000€ (vor dem Bootskauf!) auf große Fahrt zu gehen. Er fand ein schnelles, leichtes Schiff, das er "mit dem Notwendigsten" ausrüstete. Was aber nicht viel heißt, denn einiges an Langfahrt-Standard-Features wie alternative Stromerzeugung (meistens Solarpaneele oder Windgenerator) war nicht mehr einkalkuliert. Ebenso spartanisch war die navigatorische Ausrüstung (nur die notwendigsten Seekarten) sowie die Funkausrüstung. Eine Windfahnen-Selbststeueranlage wurde zwar noch besorgt, die hat aber dann nicht funktioniert, so musste alles händisch gesteuert werden. Im September 2008 segelte er mit einem Freund los. Die Fahrt war anfangs so rau, dass wegen des vielen Spritzwassers, das durch die undichten Luken eintrat innen alles feucht wurde - und bis in die Karibik so blieb: die Matrazen waren wie ein muffiger Badeschwamm.
Auf den Kanaren war der gute Junge bereits pleite, und so nahm er vier zahlende Crewmitglieder für die Atlantikquerung mit. In der Karibik will er nun einen Job als Skipper bei einer Charterfirma finden, war aber vorerst in Martinique und St. Lucia nicht erfolgreich. Die kurzfristige Lösung ist nun drei Leute für 150€/Person nach Venezuela zu bringen, danach allerdings wieder zurück zu segeln um weiter nach Arbeit zu suchen. Er erkundigte sich bei mir nach Karten von Venezuela, hatte keine Ahnung von dem Gebiet, fotografierte dann drei Karten, sowie zwei Seiten aus dem Revierführer und notierte sich zwei Wegpunkte für das GPS.
Sein mittelfristiger Plan ist es, um Südamerika herum in den Pazifik zu segeln, dazu "brauche ich nur 4 Monate á 2000€ arbeiten, damit komm ich dann bis nach Polynesien."
Nun, ich wünsche ihm natürlich alles Gute und finde es bewundernswert, wie blauäugig, ahnungslos und (zweck)optimistisch manche Leute ihre Träume verwirklichen (wollen).

Ganz anders hingegen läuft es bei einem deutschen Ehepaar, das in einem 12m langen 1928 aus Holz gebauten und dann später zum Segler umgebauten Rettungsboot namens AMBLER um die Welt gesegelt ist und dafür 25(!) Jahre gebraucht haben. Abseits der üblichen Routen sind die beiden um alle drei Kaps (S-Amerika, Australien, Afrika) herum gesegelt. So sind sie jetzt zum ersten Mal in der Karibik und von der Menge der Yachten und vom stark entsickelten Tourismus in der Gegend eher enttäuscht. Ihr Plan ist es, nach Kuba zu segeln und dann irgendwann durch den Panamakanal wieder in den Pazifik. Die Möglichkeit wieder nach Hause ins "normale" Leben zu gehen, wurde nicht einmal erwähnt.
Finanziert haben sie sich das Ganze durch - Musik! Er spielt E-Piano und singt, sie begleitet am Saxophon. Die Ausrüstung haben sie dabei: Verstärker, Boxen, Mikrophone, Drumcomputer, etc. Ich traf die beiden in der urigen Cumberlandbay auf St. Vincent, wo wir einen Abend in der netten Strandbar BLACK BARON der Franzosen Lynn und Bruno gemeinsam musiziert haben. Dort wollen sie einige Wochen bleiben und sich ihren bescheidenen Lebensunterhalt mit ihrem allabendlichem Boogie-Woogie und Blues verdienen.
Großen Respekt vor ihren seglerischen Leistungen und Bewunderung für dieses savoir-vivre!

In beiden Fällen treten jede Menge Fragen auf, die ich aber wegen der kurzen Zeit, die wir miteinander verbracht hatten auch nicht beantworten kann. Ich weiß nicht einmal, wie die deutschen Weltumsegler heißen...
Die beiden Beispiele zeigen jedoch deutlich, wie unterschiedlich die Motivationen zum Langzeitsegeln sind und dann auch die Durchführung einer solchen Reise sein kann. Es gibt da noch etliche andere Varianten und Ausprägungen, und für viele Schicksale trifft das zu, was mir der deutsche Pianospieler/Segler an jenem Abend in einer der zahlreichen Musikpausen bei seinem x-ten Bierchen gesagt hat:
"Weißt du, Pläne sind dazu da, um sie zu ändern..."

Das kam dann schneller als erwartet: Weihnachten wollte ich in Bequia, einem beliebten seglertreff verbringen. Dort war aber so viel los, das man wiederum in der Anonymität verschwand. Außerdem pfiff der Wind stark in die Bucht und es regnete ca. jede Viertelstunde kurz aber kräftig. Wenigstens besuchte ich eine andere österreichische Yacht, die SHALIMAR DUE mit Maria und Michael aus Villach an Bord, die die ANIMA - fast logisch - aus Grado schon lange kannten. Und siehe da - beide hatten am 24.12. ein unerwartetes Christkindl für mich: Da sich ihre Weltumsegelungspläne in ausgiebige Karibiktörns umgewandelt hatten, sahen sie nun die Gelegenheit, um haufenweise Seekarten an mich loszuwerden, die sie ihrerseits von einem Segler geschenkt bekommen hatten. Vielen Dank auch auf diese Weise!

Trotzdem hatte ich beschlossen, Bequia und seine ca. 150 Yachten schnell zu verlassen, und so fuhr ich am nächsten Tag ungeplanterweise wieder zurück nach Norden: in die Cumberland Bay nach St. Vincent, wo ich mich gleich viel wohler fühlte. Jeden Abend musizierte ich - jetzt weiß ich´s - mit Stan und Cora, was uns großen Spaß machte. Tagsüber konnte man neben allfälligen kleinen Instandhaltungsarbeiten im Black Baron in maximal entspannter Atmosphäre genüßlich den gleichnamigen Cocktail schlürfen und ungestört im Internet surfen oder mit Bruno einkaufen fahren. Der 29.12. war dann der letzte Abend, die Bude war voll, und die Stimmung bestens: Die Leute tanzten und wir spielten, was ging! Ich wäre gern noch länger geblieben, aber ich musste weiter Richtung Grenada, da Anfang Jänner die neue Crew eintraf.

Den Jahreswechsel in Clifton auf Union Island verbrachte ich auf der winzigen Inselbar/Barinsel "Happy Island" gemeinsam mit anderen Seglern. Nun geht es weiter Richtung Westen über Venezuela und Kolumbien nach Panama. Neue Ufer im neuen Jahr - ich bin neugierig, was das alles bringen wird...

 
 
 
 


 
Zu den Fotos -->
  November...
...2009