LOGBUCH DER ANIMA
  Februar 2011:
Arabisches Meer - Golf von Aden - Rotes Meer
 

Vorwort:
Normalerweise sind die Eintragungen in diesem Logbuch relativ knapp gehalten, da meiner Meinung nach das Lesen am Bildschirm unattraktiv ist und viele Webseiten daher oft gar nicht gelesen werden. In diesem Fall mache ich hier eine Ausnahme, denn die Ereignisse dieses Reiseabschnitts sind einerseits nicht in kürzerer Form zu beschreiben und andererseits diesmal wirklich voll Spannung und Abenteuer!

 

DER KONVOI

Piraten im Arabischen Meer
Als wir am 27. Januar in Uligan (Malediven) ankamen, waren wir vorerst das einzige Schiff und überhaupt erst die dritte Yacht in diesem Jahr. Nach ein paar Tagen lagen ca. 30 Yachten vor Anker, die alle über das Arabische Meer in Richtung Rotes Meer segeln wollten.
Leider wurden diese Tage von der allgemeinen Erkenntnis überschattet, dass die Somalischen Piraten ihre Aktivitäten nicht nur verstärkt, sondern auch über den gesamten westlichen Indischen Ozean verlegt haben. Ab diesem Tag wurden jeden Nachmittag Skippermeetings einberufen, bei denen täglich über neue Schreckensmeldungen von Piratenüberfällen in diesem Meeresabschnitt berichtet wurde. Im Januar gab es 45 Angriffe auf Handelsschiffe, davon waren 8 erfolgreich. Einmal rief sogar ein diensthabender Offizier der Royal Navy an und warnte die versammelte Runde über Freisprecheinrichtung vor der Passage.

Die Möglichkeiten:
Die Stimmung in Uligan war bei allen am Tiefpunkt. Ich selbst haderte mit der Entscheidungsfindung über mehrere Tage und stand letztlich vor mehreren Optionen:
1. Einfach fahren
2. Entlang der Küste von Indien und Pakistan nach Norden und dann entlang der Küste von     Oman nach Süden um den gefährlichsten Gebieten auszuweichen (2200 statt 1300 Meilen)
3. Ein paar Monate im Indischen Ozean verbringen, dann bei SW-Monsun zurück nach     Phuket oder Langkawi, das Boot dort lassen und irgendwann später die Reise zu beenden.
4. Die Reise um ein Jahr verlängern und über Südafrika und den Atlantik zurück ins     Mittelmeer segeln.
5. Das Mitnehmen von drei bewaffneten Sicherheitsleuten, die von Westen auf einem     Handelsschiff kommend eine Gratis-Passage zurück nach Yemen brauchten.
6. In einem Konvoi mit anderen Yachten segeln.

In der Tat kam für mich alles außer Punkt 1 in Betracht. Tagelanges nervenzehrendes und frustrierendes Nachdenken führte schließlich am Nachmittag des 3.Februar zu meiner Entscheidung für Punkt 6. Ein paar Yachties fanden sich kurzerhand zusammen, und in wenigen Tagen war ein Konvoi von 10 Booten gebildet, die gemeinsam die ca. 10-15 tägige Strecke segeln wollten. Da ich ab hier ohne Crew war - geplante Abreise von Caroline, ungeplante Absage von Johannes wegen Knieverletzung - war der Konvoi auch die einzige Möglichkeit, als Einhandsegler mit der Unterstützung der anderen Schiffe, vor allem Nachts, weiterzukommen.

Argumentation zur Entscheidungsfindung:
ad 2: Für ein schwach motorisiertes Boot wie die Anima wäre diese Route mit großteils ungünstigen Winden in einem akzeptablen Zeitrahmen kaum machbar. Dazu fehlt ein Visum um Indien anzulaufen, was allerdings für kurze Tank- und Verpflegungsstopps nicht not-wendig wäre. Weiters gibt es entlang der Küste Fischernetze, FischeRboote und Handelsschiffe, die auf diese Route ausweichen. Daher kam das letztlich für mich allein an Bord nicht in Frage.
ad 3: Wahrscheinlich die "vernünftigste" Lösung. Aber wer weiß, wann sich die Lage bessern wird. Der Zustand des Schiffes wird bei der zwangsweise geringeren Pflege nicht besser. Und um ehrlich zu sein, hätte es mich persönlich sehr getroffen, die Reise auf diese Weise unterbrechen zu müssen.
ad 4: Sehr reizvoll, aber die Zeitplanung ist ungünstig: Man kann erst in einem knappen Jahr um Südafirka herumsegeln. Bis dahin wären viele Monate auf den Malediven, im Chagos Archipel und auf Madagaskar zu verbringen. Außerdem ist es dort hinsichtlich Kriminalität auch nicht ungefährlich. Zudem wären im einem halben Jahr etliche tausend Seemeilen über den Atlantik Richtung Mittelmeer zu segeln, was für Crew und Schiff eine große Beanspruchung darstellt. Weiters wäre es eine beträchtliche finanzielle Belastung, und letztlich ist alles (inkl. ich selbst) auf eine dreijährige Reise eingestellt.
ad 5: Hätte ich die fixe Zusage für drei bewaffnete Männer gehabt, hätte ich mich wahrscheinlich dafür entschieden. Damit wäre auch das Crewproblem gelöst gewesen. Zudem wäre noch ein zweites Team zur Verfügung gestanden, sodass die Anima gemeinsam mit der befreundeten Yacht Imagine gesegelt wäre. Im Ernstfall hätte ich bei einer Schießerei die Hose natürlich ziemlich voll gehabt, und da es bis zuletzt nicht klar war, ob das klappen würde, entschied ich mich sicherheitshalber für den Konvoi.

Die Anderen:
Viele Yachten nahmen die lange Route über Indien, Pakistan und Nord-Oman. Einige entschieden sich für die Rückkehr nach Thailand, wenige andere für den langen Umweg über Südafrika. Eine weitere Option, für die sich einige Skipper etnschieden, tat sich erst nach unserer Abreise auf: Verladung und Transport der Yacht auf einem Frachter im März von den Malediven bis nach Marmaris. Ab 20000€ ist man mit einem 10m-Boot dabei. Für die betuchteren Fahrtensegler, deren es doch einige gibt, keine schlechte Wahl.

Es geht los!
Also war Abreise war für 7.Februar geplant, und tatsächlich liefen an diesem denkwürdigen Montag 10 Yachten gemeinsam aus. Außer einer einzigen sehr schnellen Yacht, die Tage vorher einfach losgefahren war, waren wir die ersten, die Uligan Richtung Rotes Meer verließen. Die Stimmung bei der Abfahrt war unbeschreiblich: Spannung, Zweifel, Angst, Ungewissheit. Kurz und simpel ausgedrückt: mulmig! Zum Glück wich das alles mit der Dauer der Fahrt einer gewissen Zuversicht, Hoffnung, Vertrauen und Optimismus. Denn der Zusammenhalt in einer (halbwegs) homogenen Gruppe fördert das alles, und je weiter wir kamen, desto positiver war die Stimmung - bis auf ein paar heftige Dämpfer, wie Meldungen der Schutztruppen über nahe Überfälle, Ortungen von Piraten-Mutterschiffen und zum Glcük erst ein Tag cor dem Ziel die Nachricht, dass zwei Yachten überfallen bzw. die Crews gekidnappt wurden. Umso beruhigender war die Sichtung eines Kriegsschiffes am Morgen des siebenten Tages oder der Überflug eines Helikopters im Golf von Aden.

Segeln im Konvoi
Das Segeln im Konvoi ist für mehr als vier Yachten und noch dazu über so lange Strecke überaus schwierig und erfordert viel Konzentration. Dazu bedarf es im Vorfeld einiger Vorbereitungen. Einschlägige Richtlinien und Ratschläge zur Organisation eines Yacht-Konvois hatte ich schon Monate vorher ausgedruckt, und diese Informationen waren die Basis für unsere Gruppe. Im Prinzip wird die ganze Strecke in Formation gesegelt, oder sagen wir, es wird zumindest versucht. Denn jedes Schiff - das kleinste 8,5m, das größre 15,5m lang - ist unter Segel, unter Motor, auf den verschiedenen Kursen zum Wind und bei verschiedenen Windstärken unterschiedlich schnell. Völlig klar, dass ein relativ kurzes, schweres, altmodisches Schiff (ANIMA III) viel Wind braucht, und den auch nur bei einem Einfallswinkel größer 80°. Die 8,5m kurze und nur 3t schwere MANTRA ASIA tat sich logischerweise bei Starkwind relativ schwer. Und interessanterweise bekam die auf Am-Wind- und Halbwind-Kursen unglaublich schnelle 13,5m lange klassische Ketch SEEAMIA auf Vor-Wind-Kursen nur das Heck der auf diesem Kurs mit dem Gaffelrigg bevorteilten ANIMA zu sehen. Freilich sahen generell alle anderen ANIMAs Heck, da ich als Singlehander das Leadboot im Konvoi war, denn nur so konnte ich nachts nach Einstellung des Kurses einige Stunden schlafen während alle anderen konnten folgen.

Gruppendynamik
Aus gruppendynamischer Sicht könnte man über diese Unternehmung sicher auch einige Kapitel schreiben: Natürlich gab es einen Chef oder - was selten gut geht, aber sich in dem Fall bewährt hat - zwei designierte Chefs: Roger und Danielle von CHOCOBO übernahmen im Vorfeld für die Organisation und dann während der Fahrt v.a. für die Kommunikation, während John von SEEAMIA Entscheidungen über Formation, Taktik und Verhalten im Not- und Ernstfall vorbehalten waren. Interessant auch, welche Rollen die diversen anderen Crews bildeten: Anders von MARGARITA war nachts am Radar für die Einhaltung der Formation zuständig, und er war auch der gute Geist der Truppe, der jeden mit positiven, freundlichen Funkmeldungen bei Laune hielt. Graham von KATHLEEN LOVE war der große Schweiger, der sich kaum in irgendwas einmischte, aber wenn, dann hatte das Hand und Fuß. Die in 189 Tagen einhand nonstop um die Welt gesegelte Asia von MANTRA ASIA war die anerkannte seglerische Kapazität. Der franz. Schweizer Jean-Claude von TIKU MOJE war der liebenswerte Chaot, der den Begriff der Formation nie ganz wörtlich nahm, aber auf höfliche Aufforderung, den Kurs doch so oder so zu korrigieren, immer in klassischem französichen Akzent mit einem freundlichen, gelassenen "It´s okay! No problem!" reagierte. Und dann gab es natürlich auch den unnötigen und grantelnden Nörgler John von AMANTE, der erst auf dieser Reise gelernt hat, wie und wann man die Segel reffen muss. Denn klarerweise ist ein 15,5m langes Schiff unweigerlich schneller als der Rest der durchwegs kleineren Kommilitonen. Zudem fiel der Kollege auf durch wiederholtes, ungeduldiges und vor allem unfreundliches Nachfragen am Funk, ob das nun schon die "target-speed" sei. Er machte diese Missstimmung zumindest teilweise dadurch wieder gut, indem er die durch vorübergehenden Getriebeschaden bei Flaute unbewegliche SEEAMIA für 120 Meilen brav in Schlepp nahm.

Highlights aus dem Logbuch in Kurzform:
6.2.: Tag vor der Abreise: Beim Nachspannen der Keilriemen bricht Schweißnaht der Wasserpumpenhalterung, kann ich im Dorf (Strom!) mit meinem Schweißgerät reparieren. Abends bemerke ich: Schleppgenerator Kugellager und Dioden kaputt: Lager notdürftig "repariert", Dioden ausgetauscht. Das war kein geruhsamer Tag...
7.2.: 2h nach Abfahrt muss die schwedische Yacht NJORD wegen Getriebeschaden aufgeben und auf die Malediven zurückkehren. "..., da warens nur noch Neun!"
3h nach Abreise: John von AMANTE werkt 1h erfolgreich am überhitzten Auspuffsystem.
8.2.: Leichter Wind, 65° Winkel: ANIMA ist am Limit ihrer seglerischen Fähigkeiten. Während alle anderen locker dahin segeln, muss hier immer wieder der Motor mithelfen.
10.2.: Endlich dreht Wind und frischt auf. Traumhafter Segeltag für alle.
11.2.: Nachts großes Durcheinander, da bei flottem Segeln keiner mehr weiß, wo er oder die die anderen sind. Daher viel Funkverkehr um die Schäfchen wieder zu sammeln.
13.2.: Sichten Kriegsschiff, das eine Runde um uns dreht. Beruhigend!
Abends Meldung über zwei Piratenschnellboote, aus dem Norden Richtung Heimat unterwegs sind, kreuzen unseren Kurs, zum Glück einige Stunden vor uns. Beunruhigend!
14.2.: Neuer Kurs: Hartes Am-Wind (Motor)Segeln, Anima am seglerischen Limit
15.2.: Entdecke leckende Kühlwasserpumpe. Austausch gegen Reserve.
Nachmittags Kursänderung und besserer Wind. Traumhafte Segelnacht. Es wird kühler!
16.2.: Wantenspannerbeschlag bei CHOCOBO bricht. Alle liegen bei 15-20kn beigedreht und warten Austausch gegen Reservebeschlag ab.
SEEAMIA berichtet von Getriebeproblemen.
17.2.: Morgens Meldung über ein Piratenmutterschiff nur 40sm nördlich von uns. Wind weg: AMANTE nimmt SEEAMIA in Schlepp. Überflug eines Militärhelikopters.
19.2.: Nachricht von zwei überfallenen und gekidnappten Yachten senkt die Stimmung.
20.2.: Zum Abschluss verhängen sich bei der Anfahrt auf Mukalla nachts noch 3 Yachten in Fischernetze. 9.30h Ankunft nach 13 Tagen und 1500 Meilen

Alle Neune:
CHOCOBO (CAN), Roger und Danielle
SEEAMIA (CAN), John und Monica
AMANTE (USA), John und Vera
GLIDE (USA), Brian, Lisa und zwei Kinder (15,17)
KATHLEEN LOVE (ENG), Graham und Gillian
MARGARITA (DEN), Anders und Birgit
MANTRA ASIA (POL), Asia und Alex
TIKU MOJE (CH), Jean-Claude und Denise

Golf von Aden
Mukalla ist ein interesanter Ort, aber der Ankerplatz im Hafenbecken ist unbrauchbar. Daher beschränkt sich unser Aufenthalt auf die notwendigsten Dinge wie Diesel, Wasser und Lebensmittel-Besorgung. Danach soll es wieder gemeinsam weiter gehen. Nächstes Ziel ist noch unklar, da ja gerade in dieser Gegend der Welt momentan großer Aufruhr und Proteste auf der Tagesordnung stehen.
Auch die Piraten sind noch bis ins südliche Rote Meer hinein aktiv. Noch haben wir es also nicht geschafft, aber wir sind guter Dinge, dass wir letztlich doch irgendwie alle heil im Mittelmeer ankommen. Der Weg dorthin ist noch ca. 1500 Meilen lang...

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