SONDERBERICHT
 

Tropischer Wirbelsturm im Indischen Ozean
Auf der Fahrt von Phuket nach Sri Lanka
war die ANIMA in unmittelbarer Nähe eines Zyklons

 

Nach Ankunft meines Mitseglers Rolf am 2.1. war die Abfahrt nach Sri Lanka für den 5.1. geplant. Da wir jedoch beide kurzfristig von Husten, Hals- und Kopfweh geplagt wurden, verschoben wir die Abfahrt auf 6.1. Die Windprognosen waren ähnlich wie am Vortag: Die ersten Tage NO-Monsun, dann etwas schwächer, wechselhaft, etc...

Generell ist auf dieser 1100 Meilen langen Strecke laut weisen Büchern ab Mitte Dezember mit relativ stetigem NO-Wind zu rechnen, der sich nach meinen Beobachtungen der Wetterberichte in den letzten Wochen tatsächlich immer mehr zu stabilisieren begonnen hatte. Am Morgen des 6.1. ging es dann auch wirklich los. Nach einer halben Stunde „Maschine aus“ und herrliches Vorwindsegeln Richtung Westen.
In der Nacht und am Vormittag des 7.1. war das Vergnügen dann auch schon wieder vorbei. Kein Wind, Regenschauerböen mit Wind aus SW. Dann am 8. und 9.1. wieder kurzfristig brauchbares Segeln, unterbrochen von wenigen kurzen Schauerböen. Aber zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass wir es hier nicht mit normalen NO-Monsunbedingungen zu tun hatten.

Am 9.1. erfuhren wir über das tägliche Funknetz und auch aus den an Bord abgerufenen Wetterdaten, dass sich ein Tief östlich von Sri Lanka zu entwickeln begann und ca. 5-7 Tage stationär bleiben sollte.
Meine Taktik war es, langsam nach WNW zu fahren um 1. dem Tief fern genug zu bleiben und 2. die Winde auszunützen, die zuerst S-SW, dann O und NO gegen den Uhrzeigersinn um das Tief herum wehen sollten, sobald sich das Tief Richtung SW verziehen würde. Nach knapper Rückfrage nach Wien via E-mail wurde mir diese Entscheidung auch von Wolfgang (SLEIPNIR) und Gerhard (BALOO) als richtig bestätigt.

Wie dem auch sei, das Wetter hält sich eben nicht immer an die Vorhersagen und die Wetterlage hat sich völlig anders entwickelt als zu erwarten war. Die in den Wetterkarten angezeigten Windstärken gingen nie über maximal 25Knoten, also im Normalfall von jeder Fahrtenyacht durchaus zu bewältigen. In der Realität mussten mehrere Yachten gegen 50-60 Knoten Wind kämpfen, womit nie zu rechnen war. Das Bild dieses Tiefdruckgebietes mit den darum herum kreisenden starken Winden erinnerte doch sehr an einen tropischen Wirbelsturm (Zyklon, Hurrikan), und auch die Windstärken lassen darauf schließen, dass es sich hier um ein sehr ungewöhnliches, kaum zu erwartendes Wettergeschehen handelte. Denn die Zyklonsaison in diesem Gebiet dauert von April bis Anfang Dezember.

Im Funknetz am Morgen des 13.1. wurde mir dann die Tragweite dieses Wettermusters bewusst. Es schien sich tatsächlich um einen kleinen tropischen Wirbelsturm zu handeln. Zur Beruhigung vorweg: Wir waren immer weit genug entfernt, hatten nie mehr als 20-25 Knoten Wind und das nur für max. 30 Minuten. Ansonsten war die Fahrt einfach sehr unbequem, da die Winde so unkonstant und aus ungünstigen Richtungen waren. Auch Flauten gab es, in denen motort wurde.
Einige andere Yachten, die 1-2 Tage voraus im Westen waren, hatten allerdings weniger Glück:
Allen voran, die Aufgabe der Yacht BACCHUS, deren Crew am 12.1. bei Windstärke 12 von einem Frachter abgeborgen wurde. Am Funk erfuhr ich, dass zufällig der Holländer Sietse dort an Bord war, der mit mir von Darwin nach Bali mitgesegelt war. Ich werde also noch einige Details über diesen Seenotfall einholen können. Als ich zwei Tage nach dem Seenotfall mit ihm am Funk sprach, war noch wie im Schock, aber abgesehen von ein paar Schrammen froh heil an Bord zu sein. Sie waren zwei Tage vor uns aus Phuket ausgelaufen.

Die Yacht HAMAMAS hat auf halber Strecke umgedreht und fuhr zurück nach Malaysien mit kaum ausreichend Diesel und kaputtem Autopilot, der aber später unterwegs repariert werden konnte.

Die Yacht BEBE war schon fast in Sri Lanka, musste jedoch ca. 50 Meilen vor der Küste abdrehen und nach Nord ablaufen. Am Funk erfuhren wir später, dass sie diesen Wegpunkt nahe der Küste insgesamt dreimal angesteuert hatten, aber jedesmal im wahrsten Sinne des Wortes "vom Winde verweht" worden waren.

Der Supercatamaran NAUTIBUOY schickte eine PanPan (Dringlichkeits) Meldung über Funk, ihm wäre der Sprit ausgegangen, er liege weiter südlich ca. 300 Meilen von Sri Lanka und warte auf Wind. Ironie am Rande, dass der Eigner in Phuket noch groß erzählt hat, dass er 4500L Diesel aufnehmen kann und bei weniger als 15kt Wind die Segel gar nicht erst setzt, sondern Gas gibt und mit 16kt Fahrt unter Maschine unterwegs ist. Im Moment fehlen mir hier zusätzlich Informationen, aber seiner Position nach zu schließen hat er wohl tagelang gegen SW motort bis die Riesentanks doch leer waren.

In unserer unmittelbaren Nähe befanden sich laut Funk dann am 14.1. drei Yachten, PASSAGE, MISS JODIE und EMANUELLE, die alle mit dem Sturm zu kämpfen hatten und beigedreht abwettern mussten. Alle wunderten sich über die Unzuverlässigkeit der Vorhersage. Die Prognosemethode der so genannten Grib-Files hat aber an sich Schwächen, speziell bei solchen tropischen Wirbelsturmereignissen. Daher ist es nicht völlig unvorstellbar, aber dennoch in dieser Form sehr ungewöhnlich, zB. EMANUELLE hatte am 12.1. 45kt Wind, Böen bis 60kt - vorhergesagt waren 20-25kt. Nach der Ankunft in Galle erfuhr ich noch von etlichen weiteren Yachten, die vom Zyklon erwischt wurden oder ihm knapp entkommen waren.

Abgesehen von den unverhofft miterlebten hohen Windstärken warteten viele Yachten danach so wie wir auf den angesagten NO-Wind, der uns alle mit schönem Segeln nach Galle bringen sollte. Auch daraus wurde nichts. Es waren zwar tagelang NO-Winde nach dem abschwächenden Tief angesagt, aber letztlich kam außer einem Hauch von SO nichts brauchbares für die letzten 2 Tage, in denen wir durch motoren mussten.

Unglaublich auch, wie schnell sich die Verhältnisse ändern: Eine Nacht war sternenklar mit wunderbarem Segeln bei SO Wind, die darauf folgende Nacht Wind aus SSW, kaum Segeln möglich, ständig Regenschauer, einfach scheußlich. Nach total bewölktem Morgen (14.1.) dann wieder Sonnenschein, Wind noch immer aus S, aber wir konnten mit dichten Schoten Kurs anlegen bei ca. 4,5kt Fahrt.

Noch mal: Im Nachhinein war aufgrund der uns vorhandenen Wetterdaten die Entscheidung der "Nordumfahrung" des Tiefs richtig. Da die Prognosen jedoch in diesem Fall so unzuverlässig waren, und Lage des Tiefs und Windrichtungen einfach falsch vorausgesagt wurden, hatten wir insgesamt großes Glück gehabt, nicht in diesen Sturm geraten zu sein. Wären wir wie eingangs erwähnt planmäßig einen Tag früher ausgelaufen, hätten wir wahrscheinlich jetzt noch dramatischeres zu berichten. Wenn man jedoch am Funk von relativ nahen betroffenen Schiffen erfährt, nimmt einen das schon ziemlich mit. Wir waren zwar nicht Beteiligte, aber wir waren unmittelbare Zeugen dieses außergewöhnlichen Wetterereignisses, egal, ob man es jetzt als tropischen Wirbelsturm bezeichnen will oder nicht.

Wir waren in keiner einzigen gefährlichen Situation, das Segeln war jedoch mühsam, v.a. da der Wind nicht von achtern kam und sehr unregelmäßig war. Unzählige Segelwechsel und Reffaktionen waren notwendig, was bei Animas altmodischem Rigg ohne Rollreffeinrichtungen Schwerarbeit ist, v.a. in stockdunkler Nacht. Die aus den Sturmgebieten auslaufende Dünung machte die Sache weit schaukeliger als es von den bei uns vorherrschenden Winden zu erwarten gewesen wäre.

Ein winziges offenes Stück Naht des Großsegels ist auf halber Strecke leider ganz aufgegangen, wir nützten das Glück einer relativ ruhigen, wind- und wellenarmen und regenfreien Stunde um das alte Großsegel, das als Reserve mit war, anzuschlagen. was für die restliche Strecke ein Riesenvorteil war, Später erfuhr ich von mindestens drei anderen Yachten mit "blown out mainsail". Also, waren wir nicht allein mit unserem Pech, wohl aber waren wir die einzigen mit Reservegroßsegel ;-)
Leider hat sich beim etwas zu späten Bergen des Gennakers wieder ein Riss in diesem porösen Segeltuch gebildet, der hoffentlich mit der Nähmaschine noch einmal zu retten ist.

Nach knapp 11 Tagen liefen wir am Abend des 16.1. wohlbehalten in Galle ein. Dieses Wettergeschehen sorgte unter den nach der Ankunft erleichterten Besatzungen noch für viel Gesprächsstoff. Es war wohl die subjektiv längste und aufregendste Überfahrt der bisherigen Reise, umso bemerkenswerter als die allgemeine Meinung in Seglerkreisen diese Strecke als allgemein schwachwindig und anspruchslos bezeichnet.

Zur Grafik:
Auf dieser Karte, die als sogenanntes Grib-File vom Bord aus via Funk und Laptop zu bekommen ist, sieht man das Zentrum des Tiefs, um das die Winde gegen den Uhrzeigersinn kreisen. Je mehr Federn die Windpfeile haben, desto stärker ist der Wind, wobei z.B. zwei lange und eine kurze Federn 25Knoten Windgeschwindigkeit anzeigen.
Die schwarze Linie zeigt den direkten Kurs von Phuket nach Galle. Die ungünstigen westlichen Winde sind deutlich zu erkennen. Unsere Taktik war es (rote Linie), uns weiter nördlich zu halten, um so die Winde um das Tief besser auszunützen.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
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